Hilflosigkeit, Wut und Ärger bei Streit in der Partnerschaft

Hilflosigkeit, Wut und Ärger bei Streit in der Partnerschaft. Mann und Frau sitzen auf dem Bett, der Mann gestikuliert verzweifelt.

Ob es dir gefällt oder nicht, Gefühle wie Wut und Ärger sind ein Teil deines Lebens. Es ist wichtig, sie verstehen zu lernen. Du musst damit umgehen.

Wenn Paare streiten, entstehen neben dem Sich-Nicht-Verstanden-Fühlen noch eine Reihe anderer Gefühle. Wut, Ärger und Hilflosigkeit zum Beispiel.

Wut und Ärger sind Ventile

Wut und Ärger sind als Ventile zu betrachten, aber auch als Barometer. Hilflosigkeit dagegen ist meiner Meinung nach viel schlimmer. Es gibt Experimente mit zahmen Ratten, die man in einen Pool warf, aus dem sie eigentlich leicht hätten entkommen können. Das schaffte jedoch nur die Gruppe, die vorher nicht mit der Erfahrung der Hilflosigkeit konfrontiert wurde. Hilflosigkeit lässt uns keine Lösungen finden, raubt unsere Kraft und zerstört unseren Glauben an unsere Selbstwirksamkeit.

Ärger zu fühlen ist normal

Ob es uns gefällt oder nicht, Ärger ist ein Teil unseres Lebens und ganze Systeme in unserem Gehirn sind damit befasst. Es ist wichtig zu lernen, mit Wut zu arbeiten, denn wenn wir nicht bewusst mit unserem Ärger umgehen, kann er negative Wirkungen auf unsere psychische und physische Gesundheit haben“, schreibt Russell Kolts, Psychologe und Professor an der Eastern Washington University

Doch eins nach dem anderen!

Wut und Liebe in der Beziehung

Ist dir schon einmal aufgefallen, dass du öfter wütend auf deinen Partner bist als auf andere Menschen? Partnerschaften sind intensive Begegnungen, die tief in unsere Seele gehen. Wir entwickeln uns an und miteinander. So nah kommt uns sonst niemand.

Wenn aus Liebe Streit und Wut wird

Es gibt die Phase vor dem Streit. Da spielen Trigger eine Rolle, du hast die typischen Anzeichen, dass gleich Streit ausbricht, missachtet und bist meist durch Missverständnisse oder ungeschickte Formulierungen in einen Stress-Streit-Kreislauf gestolpert. Schon in der Vorphase des Streits dürften Wut, Ärger und Hilflosigkeit deutlich zu spüren gewesen sein.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Ärger, Wut und Zorn? 

Ich mag die einfache Erklärung auf Wikipedia: „Von Zorn spricht man, wenn die Angelegenheit, die uns ärgert, nicht primär auf das Ich bezogen ist, sondern auf etwas Übergreifendes. Die Wut (im Lateinischen übrigens Furor, was auch Raserei, Leidenschaft und Wahnsinn bedeutet), ist eine sehr heftige Emotion, und häufig eine impulsive und aggressive Reaktion (Affekt), die durch eine als unangenehm empfundene Situation oder Bemerkung, z.B. eine Kränkung, ausgelöst worden ist. Sie ist heftiger als der Ärger und schwerer zu beherrschen als der Zorn.“

Ist Wut negativ?

Wut wird allgemein negativ bewertet, doch laut Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, ist sie die Vorstufe zur Moral und hilft uns ebenso wie Zorn, einerseits Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein zu entwickeln, aber auch in der Weiterentwicklung unserer differenzierten Persönlichkeit die Selbstlosigkeit auszuprägen.

Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Aspekt: Wenn du Wut, Ärger, aber auch Zorn oder Hilflosigkeit fühlst, macht dir das deutlich, dass einerseits deine Grenzen verletzt wurden und du andererseits darum fürchtest, dass dies zukünftig weiterhin geschieht. Deshalb streitest du dann mit deinem Partner auch verbissen! Du willst das ein für alle Mal klären und mehr Leichtigkeit in die Zukunft bringen.

Wut bringt Wahrheiten ans Licht – stimmt das?

Ein Mensch sagt nur dann die Wahrheit, wenn er wütend ist.

Graham Greene

Das würde ich so nicht unterschreiben. Ich würden es abwandeln in: „Ein Mensch spürt seine eigenen Grenzen am deutlichsten, wenn er wütend ist.“

Wut lässt auf jeden Fall Bewusstsein für überschrittene Grenzen entstehen

Je bewusster du dir deiner Grenzen bist, umso leichter können kannst du sie annehmen und zu ihnen stehen. Dann gelingt es auch, unverbissen darüber zu reden. Doch dies wird dir nicht geschenkt. Die Nadelöhre, um in diese Gelassenheit zu gelangen, sind meiner Meinung nach Wut, Ärger, Zorn und Hilflosigkeit.

Doch gibt es auch Übungen, die dir ohne Streit zeigen, wer du bist, wofür du stehst und was dir wichtig ist. Dies ist ein leichter Weg, um ohne negative Gefühle die positive Absicht des Streits vorweg zu nehmen.

Symptome für unterdrückte Wut

  • Mimik verändert sich
  • Augenbrauen ziehen sich zusammen
  • Augen kneifen
  • Unterkiefer schiebt sich nach vorn
  • Atem und Pulsfrequenz steigen
  • Tunnelblick
  • Sich zusätzlich ohnmächtig und hilflos fühlen
  • Wortfindungsstörungen, die eigene Befindlichkeit betreffend
  • Man fühlt sich ähnlich aussichtslos, als ob man versuchen würde, einen prall aufgeblasenen Luftballon unter Wasser zu halten
  • Einschränkung der Lebensfreude und der Libido
  • Immunsystem wird geschwächt
  • Erschöpfung
  • Stress
  • Auf Dauer körperlich: Magen- Organ- und Herzprobleme
  • Psychisch: Depressionen, Angstzustände und Suchterkrankungen

Die 4 Phasen der Wut beim Streit

Signalphase

Streit bahnt sich an. Nun steigt Ärger oder auch schon Wut oder Zorn auf. Deine Amygdala leitet über den Thalamus an den Cortex weiter: Ich wurde beleidigt, mir ist Unrecht widerfahren. Aus dem Rohzustand der Wut wird nun die Erklärung für die körperlichen Veränderungen gesucht. Dir vergeht das Lächeln, vielleicht zitterst du, verkrampfst dich, es wird dir wärmer, womöglich hast du einen Kloß im Hals und fühlst dich gestaut. Es kann sein, dass dein Partner hiervon noch nichts mitbekommt.

Ausbruchsphase

Jetzt wird dir klar, was du da fühlst. Unruhe oder Ohnmacht breiten sich aus, du schüttest Noradrenalin aus, dein Herz beginnt zu klopfen, du atmest schneller, dein Blutdruck steigt, die Augen öffnen sich weiter, du spannst die Muskeln noch mehr an. Doch du kannst noch einigermaßen klar denken. Wenn du allerdings versuchst, dich zu beruhigen oder diese Gefühle zu unterdrücken, gelingt dies meist nicht mehr. Dein Partner kann die Gefühle, die sich vielleicht noch einzig auf nonverbalen Zeichen begrenzen, deutlich erkennen.

Eskalation

Gleich zu platzen, in Rage zu sein, kennt jeder. Nun wirst du aggressiv und laut. 

​Wenn du allein bist, verletzt das niemanden, es sei denn du schlägst mit der Faust an die Wand oder erschreckst deine Nachbarn mit Gebrüll. Ist jedoch dein Partner anwesend, versuchst du entweder deine Emotionen zu unterdrücken (was schon eine Phase vorher nicht mehr richtig ging) oder dein Partner bekommt das Unwetter ab.

Ein Rabbiner in der Paartherapie erzählte mal, dass es wichtig sei, nicht mit Menschen zu sprechen, wenn sie zornig sind.

Starke Gefühle haben viel Energie und diese muss raus. Menschen in dieser Phase bekommen Tunnelblick, reagieren wie Roboter und handeln oft zum eigenen Nachteil und zum Leid anderer. Unser Gehirn muss diesen Gefühlen irgendwie Raum geben. Das ist sogar wichtig, um die Signalfunktion von Arger, Wut und Co. nutzen zu können.

Obwohl Unterdrücken keine Möglichkeit mehr darstellt, ist das Ausleben dieser Gefühle ungefiltert eher keine Kulturtat. Zwischen Reiz und Reaktion, ebenso zwischen deinen Synapsen, liegt ein kleiner Spalt, eine Lücke. Hierin liegt deine Freiheit. 

Wie willst du mit diesen Gefühlen jetzt gerade umgehen? Gehst du aus der Situation und lebst sie ohne Teufelskreise und Eskalationen aus? Wie kannst du dich selbst beruhigen? Oder ist es wichtig, sichtbar zu machen, wie es dir gerade geht, weil dein Gegenüber deine Grenzen sonst nie richtig sehen wird?

Das alles klingt viel leichter, als es in der Situation empfunden wird. Deshalb ist es zu einem viel früheren Zeitpunkt wichtig, Bewusstsein und Achtsamkeit zu entwickeln.

Nach den Emotionen

Wann funktioniert dein Gehirn wieder normal? 

Wenn du wieder ruhiger wirst, das mächtige Gefühl abflaut und dein Denken wieder kreativ und flexibel funktioniert. Dies ist die wichtigste Phase. Denn hier werden die Weichen gestellt, wie du dich im nächsten Streit fühlen wirst und mit diesen Gefühlen umgehen kannst.

Grundlose Wut auf Partner

Nicht immer benötigst du einen Streit, um auf deinen Partner wütend zu sein. Manchmal kommt die Wut auch ohne Streit wie aus heiterem Himmel. Das kann zum einen daran liegen, dass du irgendwie getriggert wirst oder eine Übertragung stattfindet. Du bist dann genervt, gestresst oder wütend wegen etwas anderem. Das kannst du nicht adäquat ausleben und lässet es in Folge an deinem Partner aus.

Sage jetzt bitte nicht, dass du das niemals tun würdest.

Es passiert uns allen unbewusst.

Wohin mit der Wut

Ärger, Wut, Zorn und das Gefühl der Hilflosigkeit ebenso sind im Grunde erstmal gesunde Abwehrreaktionen gegen Unrecht, Ungerechtigkeit, Kränkung und Bedrohung. Dein Gerechtigkeitsempfinden wurde verletzt. Diese Gefühle haben eine Alarmfunktion! Solange du sie fühlst, bist du lebendig.

Wenn du sie unterdrückst, führt das zu innerlichem Stau, vielleicht auch zu Depressionen, ist somit keine Option. Einfach so zu tun, als wäre man cool, ist uncool.

„Die Folge (unterdrückter Wut) ist eine anhaltende Aktivität im limbischen System im Gehirn, speziell in der Amygdala, wo es die meisten Rezeptoren für Stresshormone gibt, dies kann wiederum zu chronischen Veränderungen auf Hirn- und Verhaltensebenen führen, Depressionen und andere psychische Erkrankungen drohen.“ sagt Hirnforscher Prof. Dr. Hans Markowitsch (Universität Bielefeld).

Andererseits führt ausgelebte Wut nicht nur zu Kollateralschäden in der Partnerschaft, sondern erhöht durch die körperliche Stressreaktion den eigenen Blutdruck und Puls, als ob es um das Überleben ginge. Dr. Georg Eifert (Psychologe Chapman Universitiy, Kalifornien) schreibt, dass es viele Untersuchen darüber gibt, wie toxisch diese Gefühle für die inneren Organe, allen voran das Herz, sind.

Die beste Erfahrung habe ich mit Paaren, die den verletzten und hochgekochten Gefühlen beim Streiten nachgehen. Sie toben nicht herum, aber verschließen nicht die Augen vor ihren Emotionen, sondern nehmen sie wahr, nehmen sie ernst und sprechen darüber.

Je nach Persönlichkeitstyp kann man damit anders umgehen. Es gibt eine Reihe an Übungen, die man als Paar machen kann, um sowohl mit dem Thema Streit, aber auch mit den damit verbundenen „schlechten“ Gefühlen umzugehen.

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